Modekonzerne wollen auf den Rohstoff aus Usbekistan verzichten
Von Frank Nienhuysen
Moskau – Gulnara Karimowa ist eine schöne Frau mit vielen Eigenschaften. Sie ist usbekische Botschafterin in Spanien, Professorin für politische Wissenschaft, sie vertritt ihr Land bei den Vereinten Nationen in Genf und hat dazu noch eine Extraportion Sinn für Schmuck und Kleidung. Vor zwei Wochen sollte sie mit ihrer Kollektion auf der Modewoche in New York auftreten, aber dann verlegte die Designerin den Ort kurzerhand vom Lincoln Center in ein Luxus-Restaurant in Manhattan. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Das „Cipriani“ ist sicher auch ein feiner Ort, aber die New York Pos t berichtete von einem ganz anderen Grund für den abrupten Wechsel. Die Veranstalter der Modewoche hätten Karimowa hinausgedrängt, weil sie „entsetzt waren wegen der Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan“.
Karimowa ist die Tochter von Islam Karimow, dem mächtigen Präsidenten von Usbekistan. In dem zentralasiatischen Land gibt es zwar keine Demokratie und politische Freiheit, dafür aber Erdgas, Gold und sehr viel Baumwolle. Usbekistan ist sogar einer der größten Baumwollhersteller der Welt, nur nutzt das Land dazu reichlich die Hilfe von Kindern. Eine Gruppe von mehr als 60 internationalen Unternehmen hat deshalb jetzt einen Boykott usbekischer Baumwolle unterzeichnet, unter ihnen Puma, Adidas und Levi Strauss. „Wir arbeiten eng mit unseren Rohstoff-Lieferanten zusammen und erwarten von ihnen eine Bestätigung, dass sie keine Baumwolle aus Usbekistan wissentlich verwenden“, sagt Frank Henke, bei der Adidas-Gruppe als Direktor zuständig für Sozial- und Umweltfragen. Er spricht von „weitverbreiteter Kinderzwangsarbeit“, räumt aber ein, dass es oft nahezu unmöglich sei, bei Fertigerzeugnissen die Herkunft zurückzuverfolgen. „Usbekische Baumwolle ist in allen möglichen Produkten von Bettbezügen bis hin zu Kleidungsstücken zu finden“, sagt Henke.
Der Gemeinschaftsboykott der internationalen Konzerne ist bemerkenswert und soll den Druck erhöhen, dass Usbekistan sich an die von ihm vor drei Jahren unterzeichnete Konvention hält, keine Kinder auf Baumwollplantagen einzusetzen. Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zwingt die frühere Sowjetrepublik in jedem Herbst Hunderttausende Schüler, für zwei Monate auf den Feldern Baumwolle zu pflücken. Manche von ihnen seien erst zehn Jahre alt.
„Viele werden krank, verpassen die Schule und arbeiten von morgens bis spät abends für wenig oder kein Geld“, heißt es in dem Bericht. Das usbekisch-deutsche Forum für Menschenrechte zitiert E-Mails von usbekischen Studenten, in denen es unter anderem heißt, „wir brauchen Hilfe. Wir werden morgens um vier Uhr zu den Feldern gefahren und gezwungen, jeden Tag hundert Kilogramm Baumwolle zu pflücken. Erst um zwölf in der Nacht sind wir im Bett.“
Der Masseneinsatz bei der Baumwollernte geht noch auf alte Sowjettraditionen zurück, als nicht nur die Bauern, Schüler und Studenten, sondern auch Brigaden aus Fabrikarbeitern und Gelehrten aus den Städten in die Dörfer gekarrt wurden, um die Pläne der zentralen Kommandowirtschaft zu erfüllen. Jetzt ist das unabhängige Usbekistan die Zentrale, streng und autoritär genug, dass es die alte Praxis ohne Skrupel ins 21. Jahrhundert geführt hat. Der Sportkonzern aus Herzogenaurach hat deswegen bereits die Bundesregierung eingeschaltet, auf Usbekistan einzuwirken.
Aber darauf allein wollte er sich offenbar nicht verlassen. Nach dem Boykott will Adidas nun verstärkt Produkte mit Baumwolle aus Indien, Pakistan, Brasilien und Mali beziehen. Usbekistan hat derweil gelassen auf den Boykott reagiert. Der russischen Zeitung Nesawissimaja Gaseta sagte eine Regierungsquelle in Taschkent, dass ohnehin Russland der Hauptkäufer sei und ein großer Teil „unserer Baumwolle durch Mittler auf den europäischen und arabischen Märkten weiterverkauft wird. Ich glaube also nicht, dass Usbekistan unter dem Boykott ernsthaft leiden wird“.